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Alex Ito, Queens, NYC

In the Studio

»Ich restrukturiere Zusammenhänge mittels der Analyse von Geschichte und Möglichkeiten.«

Eine kalte und trockene Qualität strahlen die von Alex Ito in seinem Atelier in Queens geschaffenen Objekte und Mischtechnik-Assemblagen aus. Chrom und andere glatte Oberflächen, gefundene Objekte und ästhetische Kompositionen übertragen historische Bilder, die positive Hinweise auf Fortschritt und technologische Errungenschaften hervorrufen. Im Wesentlichen bezeugen die Werke von Alex Ito jedoch die verborgenen oder marginalisierten Geschichten von kultureller Auslöschung, Ausgrenzungspraktiken, Kolonialismus und Gewalt, die wir in unserer Kultur im Zuge des sozialen Wandels, des materiellen Wachstums und der kapitalistischen Reproduktion akzeptieren. Er dekonstruiert und setzt diese Geschichten neu zusammen, verborgen in einem schlanken Apparat von Sauberkeit und Macht, der eine Wahrheit enthüllt, die so brutal ist, dass sie fast nicht erkennbar ist. Seine Kunst impliziert, dass wir uns zwar realistischer Weise niemals von unserem Streben nach Wachstum und technologischem Fortschritt lösen werden, dass wir aber darauf achten sollten, verantwortungsvoll und ethisch damit umzugehen.

Alex, wie hast du begonnen, Kunst zu schaffen?
Ich hatte das Glück, in einer Künstlerfamilie aufzuwachsen. Mein Vater ist ein gelernter Zeichner und hat ein natürliches Talent für Typografie und Kalligrafie. Ich habe eine Tante, die Animatorin war, einen Onkel, der Bildhauer ist, und mein Großvater fertigte immer alle möglichen Kreationen an, von toten Tieren und in gegossenem Epoxidharz konservierten Käfern bis hin zu Holzspielzeug ¬– um meine Cousins und mich damit zu unterhalten, als wir jünger waren. Als ich älter wurde, habe ich mich mit Graffiti beschäftigt. Einer meiner Lieblingsaspekte neben der Malerei war der Akt des Erlebens einer ganz anderen Seite der Stadt – eine Seite, die die meisten Menschen nicht sehen. Beim Durchqueren verschiedener provisorischer Lager, beim Kriechen unter Autobahnüberführungen und beim ziellosen Laufen durch pechschwarze Fluttunnels erlebte ich die Unterwelt von Los Angeles. Die Palmen verschwanden im nächtlichen Himmel, die glamourösen Plakatwände schienen traurig verzweifelt, ebenso wie die leeren Straßen, die spätabends so sinnlos beleuchtet wurden. Es waren diese Erfahrungen, die mir einen sicheren Raum boten, in dem ich alles um mich herum und die Realität, in der ich aufgewachsen war, in Frage stellen konnte. Diese Erfahrungen, kombiniert mit dem Hinausschleichen zu verschiedenen Musikshows und der Begegnung mit der lokalen Surf- und Skateboard-Szene, waren die Kombination, die eine natürliche Orientierung für meine Beschäftigung mit Kunst ergab. Ich hatte das Glück, im Alter von 16 Jahren einen Job im Museum für Zeitgenössische Kunst (MOCA) zu bekommen, und arbeitete dort, bis ich 18 war. Während meiner Zeit dort sah ich Einzelausstellungen von Dan Graham, Gordon Matta Clark, Emory Douglas, Louise Bourgeois, Cosima von Bonin und vielen anderen Künstlern. Die Arbeit im MOCA zu erleben, hat mir geholfen, eine Menge roher Emotionen und Dinge, mit denen ich zu dieser Zeit zu tun hatte, zu artikulieren. Diese Erfahrung hat mich dazu bewogen, mich an der Universität zu bewerben und nach New York zu ziehen.

Hast du persönliche Referenzen in der Kunstgeschichte, zeitgenössische Künstlerkollegen, deren Arbeit du schätzt, oder andere Menschen, die dich inspirieren?
Während meiner Arbeit am MOCA sah ich eine Ausstellung mit Werken von Emory Douglas, die in den Jahren der Black Panther Newspaper entstanden sind. Dieses Werk hat mich wirklich beeindruckt, weil es in seiner Kombination aus schönen Bildern und politischen Handlungen eine große Kraft besitzt. Es war nicht nur ansprechend, sondern auch mobilisierend innerhalb des Formats von Druckwerken, das mehr als das Galerienpublikum erreicht. Auch die Arbeiten von William Leavitt und John Baldessari haben mich sehr angezogen, weil sie sich mit der Banalität innerhalb der visuellen Kultur des täglichen Lebens beschäftigen. Leavitt hatte eine Fähigkeit, das Publikum vom Vertrauten mit seinen Wandfassaden, häuslichen Interieurs und set-ähnlichen Entwürfen zu dissoziieren. Baldessari hatte die erstaunliche Fähigkeit, Emotionen in Pantone Farbflächen, filmische Bilder und Text zu kodifizieren. Beide Künstler reflektieren das Alltägliche und destillieren es zu einem Archetyp oder einer Kategorie, während sie durch eine so intime Exposition so viele Möglichkeiten zulassen. In letzter Zeit hat mich die Lektüre über das Werk von Pia Arke sehr interessiert. Ich bin beim Lesen von Zeitschriften in einer Buchhandlung auf ihre Arbeit gestoßen. Der Beitrag untersuchte ihre persönliche Praxis in Bezug auf ihre indigene Identität und die Gewalt des Vergessens. Ich schaue mir auch immer wieder Ausschnitte und Szenen aus Filmen und Videoarbeiten von Apichatpong Weersethakul an, dessen Arbeiten in ähnliche Themen wie die von Arke eintauchen, wenn auch aus der Perspektive ganz anderer kultureller Hintergründe. Seine Arbeiten erinnern mich an das Starren in Nebel, aus dem Objekte und Wesen auftauchen und wieder verschwinden – voll präsent, aber rätselhaft wie eine verblassende Fotografie.

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Wo und wie beginnst du normalerweise mit einer Arbeit? Ist ein Gegenstand Inspiration für das Thema, oder gibt es eine Botschaft, die die Kunst beeinflusst?
Meine Praxis wird sehr davon angetrieben, dass ich möglichst viel Abstand zum Atelier brauche. Das Künstleratelier – und manchmal auch die Rolle des Künstlers – kann leicht zum Echoraum werden. Dieses Vakuum kann dazu führen, dass die Arbeit zu selbstreferentiell wird, anstatt sie an die aktuellen sozialen und kulturellen Realitäten zu binden. Ich denke, weil meine Arbeit auf eine bestimmte Art und Weise funktioniert, muss ich in der realen Welt verankert sein. Dies kann nur dadurch erreicht werden, dass ich die Kultur bewohne, statt ihr im Atelier zu entfliehen. Der Großteil der emotionalen und konzeptuellen Kraft der Arbeit wird außerhalb des Ateliers im öffentlichen Raum hervorgerufen. Ich werde definitiv am meisten inspiriert, wenn ich in der U-Bahn lese, mit dem Fahrrad fahre oder durch die Stadt laufe. Wenn ich draußen in der Welt bin, wird ein Zeitschriftenschnipsel zu einer Form oder eine soziale Atmosphäre zu einem Schatten. Eine Silhouette kann maßgeblich sein, während Worte zerbröckeln und so zart werden können wie ein Haufen trockener Blätter. Alles wird bruchstückhaft und undeutlich, wenn ich es im öffentlichen Raum erlebe – fast wie im Kino.

Beeinflusst diese fragmentierte und kontextuelle Vorstellung auch die Art und Weise, in der du deine Arbeit präsentierst?
Ja, wenn ich eine Ausstellung aufbaue, betrachte ich sie durch die Linse des Kinos, wo Bilder und Wirkung in einen linearen, aber gebrochenen Raum zerfallen. So sehr der Inhalt wichtig ist, bin ich sehr besessen von atmosphärischen Empfindungen oder der Abwesenheit von Gefühl durch Verfremdung und davon, wie dadurch etwas so Indexhaftes wie Bilder und die Herstellung von Objekten in einer Galerieumgebung beeinflusst werden.

Du beschäftigst dich oft mit inhärent gewalttätigen Themen, von Atombomben bis hin zu Winchester-Gewehren. Woher kommt das und was hat dich zu diesem Thema bewegt?
Aus amerikanischer Sicht sind diese gewalttätigen Bilder ein Teil der Umgangssprache. Das erste Mal, dass ich einen Atompilz sah, war in einem Looney Tunes-Kurzfilm. Western sind ein monumentaler Archetyp des globalen Kinos. Beide sind narrative Rahmen, die sich von ihrem historischen Ursprung entfernt haben und nun die Fassaden, die unsere zeitgenössischen Vorstellungen umgeben, stützen. Ich fühle mich also nicht unbedingt zu ihnen hingezogen, aber sie sind im heutigen Leben allgegenwärtig. Leider muss ich nicht sehr weit ausholen, um an diese Art von Gewaltthemen herangeführt zu werden.

Für mich ist deine Arbeit ein Weckruf, der die Verkleidungen des technologischen Fortschritts und ihre historisch gewalttätigen Auswirkungen ans Licht bringt. Gibt es deiner Meinung nach einen Weg, sich aus diesem Kreislauf zu befreien?
Das ist eine Frage, die ich nicht genau beantworten kann. Das heißt – es ist keine simple „Ja oder Nein“ Frage. Was bedeutet es, sich von etwas zu befreien? Bedeutet es, ohne es zu sein? Sich eine solche Zukunft vorzustellen, würde zu gefährlichem Verhalten führen, das dem Missbrauch von Drogen ähnelt. Es gibt ein Leiden und es gibt eine Heilung. Bei sozialen Fragen funktioniert dieser Ansatz nie, da sich die Elemente Spontaneität, Abweichung und Transformation solchen wissenschaftlichen Ansätzen widersetzen. Meine Praxis ist weniger ein Vorschlag für die Zukunft, sondern eine Neuordnung von Zusammenhängen durch die Analyse von Geschichte und Möglichkeiten. Zukunft und Möglichkeiten sind sich ähnlich, stehen sich aber meiner Meinung nach gegensätzlich gegenüber. Die Zukunft ist singulär – als ob man den vor uns liegenden Weg durch eine Vermessung der Zeit betrachtet. Möglichkeit existiert in allen Richtungen als eine potentielle Form. Menschen nutzen Technologien seit den ersten Werkzeugen. Nutzen und Funktionalität sind Teil der menschlichen sozialen Organisation. Wir werden uns nie davon lösen, aber wir können lernen, mit den Technologien verantwortungsbewusst, ethisch und mit Sorgfalt zu leben.

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Gibt es Beispiele für Arbeiten mit einer positiven Beziehung zum technologischen Fortschritt? Oder hat jeder technologische Prozess für dich eine Kehrseite?
Natürlich gibt es welche. Aber Positivität ist nicht etwas, das ex nihilo existiert. Positivität ist Eigentum, und sie wurde monetarisiert und ist den Klassen-/Rassenbeziehungen geschuldet. Wenn wir an die großen industriellen Errungenschaften des 20. Jahrhunderts denken, wie Medizin, Transport oder Raumfahrt, dann haben all diese Praktiken auf Kosten anderer, insbesondere marginalisierter Gemeinschaften, „Fortschritt“ gemacht. Es soll nicht heißen, dass bestimmte technologische Entwicklungen der Menschheit nicht geholfen haben. Es ist jedoch sehr wichtig zu verstehen, welche Kulturen und Gemeinschaften durch diesen Fortschritt negativ betroffen waren.

Viele deiner Skulpturen scheinen eine außerirdische Beschaffenheit zu haben; verchromt und glatt wie das Finish einer Art technologischen Geräts. Einige haben auch Oxidations- und Roststellen auf ihrer Oberfläche, was auf einen Alterungsprozess hindeutet. Was sind das für Objekte, kommen sie aus der Zukunft oder der Vergangenheit?
Ich begann mit der Herstellung dieser Objekte nach der Lektüre von Timothy Mortons „Hyperobjects“. Für Morton ist ein Hyperobjekt etwas, das zwar präsent ist, aber reisen und das menschliche Maß überdauern kann. Einige der Beispiele sind Stürme, Eisberge, Abfall und Plutonium – Dinge, die scheinbar ewig sind, da sie Zeit außerhalb menschlicher Erfahrung verkörpern. Obwohl seine Analyse hauptsächlich die Umwelt betrifft, wollte ich dies im Hinblick auf das kulturelle Gedächtnis und die historische Gewalt untersuchen. Ich fragte mich, wie Objekte durch ihren historischen Kontext und ihre kulturellen Werte Erfahrungen bewahren und die Zukunft gestalten. Es brachte mich dazu, an Familienerbstücke und historische Objekte wie Waffen und innovative Technologie zu denken. Mit meinen verchromten skulpturalen Objekten wollte ich etwas kreieren, das alle Signifikanten der Zukunft verkörpert – Metall, Dynamik und Sauberkeit, aber auch ein Element der Zeitlichkeit verkörpert, das der Zeit unterworfen ist – das Chrom. Ich wollte jedoch nicht, dass das Objekt wie ein Readymade in seinem Nutzen allzu erkennbar ist, sondern dass es in einem ungewöhnlichen Zustand der Vertrautheit bleibt. Dieser beunruhigende Zustand der Formlosigkeit, um den Begriff des französischen Schriftstellers und Philosophen George Bataille zu verwenden, erlaubt es dem Objekt, in einem Zustand des Zweifels an einer aktuellen Realität zu verharren, in der die Kultur mit der Zeit verstrickt ist und in die Strukturen der Medien, Werkzeuge und Technologie mutiert.

Nähern wir uns aus deiner Sicht der Utopie oder der Dystopie?
Mein Ziel ist es nicht, vorherzusagen, wohin wir gehen werden. Ich möchte mit meiner Arbeit eher zum Nachdenken und zur Kritik anregen, als die Zukunft anderer zu definieren und zu gestalten. Stattdessen bin ich eher daran interessiert, die vergangene und gegenwärtige Kultur durch Bilder, Ereignisse und Technologie neu zu bewerten und unsere dominierenden Rahmenbedingungen aus Sprache und Rhetorik zu betrachten. Insbesondere schaue ich auf das kulturelle Narrativ des Fortschritts, das sowohl utopische Bestrebungen als auch dystopische Nebenprodukte verkörpert. Ich finde dieses besondere Narrativ interessant, weil der Fortschritt das Leben anderer ebenso sehr prägt wie er es verurteilt. Das liegt daran, dass einige der Kernideen des Fortschritts – Wachstum, Expansion, Bewertung – auch für den Kriegskontext von grundlegender Bedeutung sind. Wo es Wachstum gibt, gibt es auch Ausgrenzung. Wo es Expansion gibt, gibt es auch Auslöschung. Wo es Bewertung gibt, gibt es auch Dehumanisierung. Mit der Fähigkeit, über diese Bedingungen innerhalb der vergangenen und gegenwärtigen Sprache zu reflektieren, kann das Werk hoffentlich einen Funken radikaler Empathie auslösen.

Viele deiner Arbeiten beschäftigen sich mit historischen Bildern, wie kommen diese zustande und wie sieht der kreative Prozess aus?
Die meisten Bilder stammen aus Zeitschriften der 1950er Jahre bis zur Gegenwart. Ich benutze gerne ältere Zeitschriften wegen des damaligen Idealismus, und weil er sich in Dingen wie den Weltausstellungen, der Massenproduktion, dem nuklearen Wettrüsten und dem Weltraumrennen manifestierte. Es gab eine andere Kultur des Glaubens, die heute nicht mehr existiert, insbesondere nach Ereignissen wie Watergate, dem Krieg gegen den Terror und der vernetzten Technologie. In vielerlei Hinsicht schien das tägliche Leben viel einfacher und gleichzeitig viel selbstgefälliger gegenüber den aktuellen sozialen Fragen. Es gab eine Kultur des Glücks, die mich fasziniert. Ich horte nicht viel Material in meinem Studio, aber ich liebe es, diese Zeitschriften zu sammeln. In den meisten Fällen benutze ich nicht die Bilder, die ich am liebsten mag. Sie sind etwas Besonderes für mich, und manchmal möchte ich sie zu meinem persönlichen Vergnügen behalten. In diesen Bildern steckt ein Gefühl, das ich in die Arbeit übertragen möchte, ohne mir die Bilder direkt anzueignen. Deshalb landen sie einfach in Stapeln und Kisten in meinem Studio.

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Neben der Populärgeschichte webst du auch Momente deiner persönlichen Geschichte ein, die charakteristisch für dein japanisch-amerikanisches Erbe sind. Ist es für den Betrachter wichtig, rassische und kulturelle Konnotationen, die spezifisch für dein persönliches Leben sind, mit deiner Arbeit in Zusammenhang zu bringen?
Kunst hatte schon immer einen kolonialen oder anthropologischen Aspekt. Sie fordert die Macher auf, Kultur oder neues metaphysisches Gebiet auszuloten und daraus neue Sprachen zu entwickeln. Es gibt eine Betonung auf unerforschte Gebiete und auf die Einmaligkeit, in der der Künstler sein Thema „besitzt“, obwohl diese Themen dem Kunstwerk vorangegangen sind und sich nach ihm fortsetzen. Damit spielt das Thema, das ein Künstler verwendet, eine performative Rolle, um die strukturelle Integrität der künstlerischen Praxis zu untermauern. Identität kann ähnlich funktionieren und zu einem integralen Bestandteil einiger, wenn nicht aller Darstellungen der eigenen Praxis werden – insbesondere im Fall von Malern. Ich habe das Gefühl, dass die meisten persönlichen Narrationen zum Werk leicht mit dominanten rassistischen Erzählungen ¬– Einwanderung, Rassismus, Sprache usw. – in Verbindung gebracht werden können. Sie sind immer relevant und sind allesamt gültige und wichtige Diskussionen, aber sie können auch eine Erwartung und vorgefasste kulturelle Kategorie schaffen, die gewaltsam besetzt und dargestellt werden muss. Bei einigen meiner jüngsten Arbeiten habe ich persönliche Ephemera, Bilder und Erzählungen über die Einkerkerung meiner Großeltern während des Zweiten Weltkriegs in Internierungslagern in den Vereinigten Staaten verwendet. Meine Praxis verwendet diese Familiengeschichte jedoch nicht, um speziell auf Trauma oder rassistische Erinnerungen einzugehen, weil ich das für offensichtlich halte. Ich zeige diese Kontexte aufgrund meiner Beziehung zu ihr auf. Sie sind ein natürlicher Teil meines Lebens. Die Arbeit ist nicht als Erinnerung gedacht, sondern als etwas, das wir mit allen teilen. Eine Geschichte ist nie nur eine Geschichte. Sie ist etwas, zu dem wir gehören und das sich durch uns alle verwandelt. Indem ich mich auf eine Geschichte beziehe, die ich geerbt habe, habe ich ein einzigartiges Vehikel, um meine Betrachtungen über Gewalt zu entwickeln. Das bietet ein komplexeres und zugleich aufrichtigeres Fenster dafür, wie wir das Leben gestalten und an seiner Unterjochung teilhaben.

Gibt es etwas Bestimmtes, das du mit deiner Kunst beim Betrachter auslösen möchtest? Insgesamt möchte ich für eine generelle Ablehnung dessen plädieren, was als singuläre Realität oder Geschichte dargestellt wird. Gerade im Informationszeitalter ist es wichtig, die uns umgebenden Werkzeuge und Perspektiven zu nutzen, um gegen den allgemeinen Trend anzukämpfen. Kritik ist dabei ebenso unerlässlich wie Zurückhaltung gegenüber unserem Publikum und dem, was wir konsumieren. Wenn ich von Zurückhaltung spreche, dann meine ich die Fähigkeit, innezuhalten und gegen den Impuls des Spektakels zu steuern. Das Spektakel durchdringt uns mehr denn je, und die bildende Kunst, ebenso wie Poesie, Literatur und kritisches Denken, eröffnet die Möglichkeit, den Zwang der falschen Phantasie abzulehnen. Diese Phantasie ist einzigartig und linear – ein fensterloser Flur, in dem man dem anderen ausweichen und sich im Inneren verlieren kann. Aber das Staunen über diese Phantasie ist das des Vergessens – des Vergessens der äußeren Widrigkeiten, die wir nicht sehen können oder nicht sehen wollen. Was ich also anbiete, ist kein schönes Gemälde oder ein unendlicher Raum. Alles, was ich anbiete, sind Werkzeuge, die wir ablehnen können. Durch die Verweigerung erhalten wir Zugang zu einem Netz von Erinnerungen, das verworren, schwierig, frustrierend und letztlich mit intimen Leben gefüllt ist.

Und was kommt als Nächstes? Gibt es etwas, auf das du hinarbeitest oder ein Traumprojekt, das du gerne ausprobieren würdest?
Seit 2017 arbeite ich schrittweise an einem Videoprojekt, das ich endlich im November 2020 in New York ausstellen werde. In dem Video geht es um die Geschichte meiner Familie mit der japanischen Internierung und den Atommüllpraktiken in Amerika. Es wird auch von einigen neuen skulpturalen und installativen Arbeiten begleitet sein. Ich freue mich sehr darauf, diese Arbeit zu zeigen, da ich seit 2015 keine Einzelausstellung mehr in New York hatte. Gleichzeitig bin ich entsetzt, da die Ausstellung unmittelbar nach den nächsten Präsidentschaftswahlen in den Vereinigten Staaten geplant ist. Angesichts der sich abzeichnenden Angst vor der Wiederwahl von Trump möchte ich eine Ausstellung machen, die auf eine mögliche Landschaft nach der Trump-Wahl und auf eine fortgesetzten Trump-Administration eingeht.

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Ausstellungsansicht: You Promised Catastrophe, Galerie Zeller van Almsick, 2019

Needle In A Heap of Grease, 2018, Ausstellungsansicht: You Promised Catastrophe, Galerie Zeller van Almsick, 2019

The Gun That Won The West, 2018, Ausstellungsansicht:  You Promised Catastrophe, Galerie Zeller van Almsick, 2019

Faded Virtue, 2018, Ausstellungsansicht: You Promised Catastrophe, Galerie Zeller van Almsick, 2019

Interview: Benny Or, Florian Langhammer
Fotos: Katharina Poblotzki

Link: Alex Itos Webseite

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