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Heimo Zobernig, Wien

In the Studio

»Das Machen an sich ist ja etwas ganz Großartiges.«

Heimo Zobernigs Werk ist geprägt von einer reduzierten, häufig handwerklichen Charakter aufweisenden Formensprache. Stets werden die Rahmenbedingungen von Kunst in Frage stellt. Zobernig hat eine eigene Farbenlehre entwickelt und schafft sich auch sonst sein eigenes Regelwerk, das alles offen legen und nichts verrätseln will. In vielen seiner Arbeiten beschäftigt sich der Künstler mit Sprache, die in einfacher Schrift umgesetzt und oft zum Logo verkürzt wird. Auf der 56. Venedig Kunstbiennale fand Heimo Zobernigs ebenso radikaler wie genialer Rückbau des Österreichischen Pavillons große Beachtung. Wir trafen ihn in seinem Atelier in Wien und sprachen mit ihm unter anderem über seine Zeit am Theater, ob man KunststudentInnen auf den Kunstmarkt vorbereiten soll, und über Wien als Kunststadt.

Herr Zobernig, letzte Jahr war bei Ihnen sehr ereignisreich. Sie haben an der Biennale in Venedig teilgenommen und den Österreichischen Pavillon bespielt. Das muss nicht nur mächtig arbeitsintensiv, sondern emotional auch ziemlich anstrengend gewesen sein.
Ja, es war tatsächlich viel los im letzten Jahr. Um die Biennale herum, die Tage davor, das war schon anstrengend, denn es wurde natürlich erwartet, dass ich viele Fragen beantworte. Das Einrichten der Biennale selbst war gar nicht so ein Problem, ich hatte ein wunderbares Team. Das hat sehr gut funktioniert. Ausstellungen habe ich sicher schon größere bewältigt, allerdings war da weniger Rummel als in Venedig. Darin hat sich die Biennale unterschieden. In Venedig interessieren sich plötzlich alle für einen. Und jede, jeder hat eine Meinung zu der Arbeit. Bei einer Ausstellung in einem Museum ist das doch etwas spezifischer. Da ist die öffentliche Wahrnehmung und das Feedback nicht ganz so unmittelbar.

Es ist einerseits eine Ehre, als Künstler den Pavillon eines Landes in Venedig zu bespielen. Andererseits wird einem auch gleichzeitig die Plakette eines „Staatskünstlers“ umgehängt.
Ich glaube nicht, dass man heute noch in solchen Schubladen denkt. Das hat sich total verändert. Die Welt der Kunst hat ganz andere Grenzen. Da wir in einer ernstzunehmenden demokratischen Gesellschaft leben, hat dieses Label gar keinen aktuellen Bestand mehr, diese Zumutung ist mir auch kaum begegnet. Die Entscheidung des Kurators, der Kuratorin gegenüber dem Minister ist völlig frei und unabhängig. So ist es in Österreich und in vielen europäischen Ländern. Allerdings gilt das natürlich leider nicht für alle an der Biennale teilnehmenden Länder.

Mit dem Österreichischen Pavillon in den Giardini in Venedig hatten Sie sich gedanklich ja bereits auseinandergesetzt, lange bevor bekannt wurde, dass Sie den Pavillon bespielen würden. Sie erwähnten in einem anderen Interview, dass es auch ein anderes Konzept hätte werden können.
Das stimmt, aber diese Überlegungen waren zum Zeitpunkt der Einladung längst wieder obsolet. Ich hab da quasi wieder ganz bei Null begonnen. Allerdings, zusätzlich zu den beiden großen schwarzen skulpturalen Einbauten, die den Boden und die Decke bilden, hätte noch eine weitere Skulptur im Raum stehen können. Es hat sich für mich die Gelegenheit geboten, eine schon länger geplante erste große Bronzeskulptur zu machen, in der quasi der Keim für die architektonischen Überlegungen steckt. Aber eben mit dem Vorbehalt, dass ich, sobald ich das Resultat sehe, entscheide, ob ich sie zeigen will oder nicht. Es war für mich von vornherein klar, dass ich mir diese Möglichkeit bis zum Schluss offen halten muss.

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Was hätte das für Sie geändert?
Es war dann klar, dass man gedacht hätte – wäre diese Bronzefigur zusätzlich im Pavillon platziert worden –, es ginge hier nur um diese Figur. Genau das wollte ich jedoch nicht. Yilmaz Dziewior, der Kurator des Österreichischen Pavillons, hat noch am längsten an der Idee mit der Bronzeskulptur festgehalten, aber dann stand sie im Kunsthaus Bregenz. Dort ist das Zusammenspiel in dieser Beziehung möglich, weil die Bronze und das schwarze Objekt voneinander entfernt stehen konnten. Die Figur blickt in Richtung des schwarzen Kubus, so dass sich eine ähnliche Situation wie im Mies van der Rohe Pavillon in Barcelona mit der Georg Kolbe Skulptur ergeben hat.

Sie sind ein Künstler, der ganz konkrete Konzepte entwickelt, die auch festlegen, wie ein Projekt im Ausstellungraum umgesetzt werden soll. Welche Rolle spielt bei Ihnen ein Kurator?
Natürlich ist es wichtig, als Künstler klare Ideen zu haben, aber man unterschätzt möglicherweise, was rund um eine Ausstellung alles notwendig zu koordinieren ist. Das leisten die Kuratoren und Kuratorinnen. Sie sind aber vor allem auch als Gegenüber, mit denen man über die Arbeiten diskutieren und sprechen kann, wichtig und hilfreich.

Viele Interviews mit Ihnen beginnen im Jahr 1977, als Sie von Kärnten nach Wien kamen. Was war davor?
Der Wunsch, nach Wien zu gehen! Ich besuchte Wien damals als Schüler der vierten Klasse. Es war so üblich, dass die Schüler und Schülerinnen aus der Stadt für eine Woche aufs Land fuhren und die Schüler und Schülerinnen vom Land in die Stadt. Als wir vor der Kunstakademie am Schillerplatz in Wien standen, sagte mein Klassenlehrer, der übrigens auch mein Deutsch-, Zeichen- und Turnlehrer war: „Da wird der Heimo mal studieren!“ Am nächsten Tag standen wir dann vor der Technischen Universität am Karlsplatz, und er sagte dasselbe. Das hat mich natürlich irritiert, weil ich nicht wusste, ob er das Gesagte vom Vortag schon vergessen hatte. Letztendlich behielt er recht, denn ich habe beides gemacht. Mit vierzehn Jahren bin ich auf eine Mittelschule für Maschinenbau gegangen. 

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Installation view 3rd floor, Kunsthaus Bregenz
Photo: Markus Bretter, © Heimo Zobernig/Kunsthaus Bregenz/Bildrecht, Wien, 2015

Bevor Sie begonnen haben, Kunst zu studieren, hatten Sie zunächst Bühnenbild studiert?
Das war eigentlich gar nicht meine Absicht, es war halt ein Umweg, weil die Aufnahme in eine Malerei Klasse nicht geklappt hat. Literatur fand ich aber eh immer schon spannend, und Lektüre wurde in anderen Studienzweigen nicht so gepflegt wie bei den Bühnenbildnern und Bühnenbildnerinnen. Daher passte das ganz gut. Es gab viele, die Bühnenbild studierten und ähnlich wie ich das Theater gar nicht so sehr geschätzt haben. Ich war zuvor vielleicht zweimal im Theater gewesen.

Den Zugang zum Theater fanden Sie also nicht über das Theater an sich? Nein, jedenfalls nicht mit Liebe und Leidenschaft für diese Kunstform, denn diese beiden Male, die ich in meiner Mittelschulzeit im Theater war, konnten meine Leidenschaft dafür nicht wecken. Trotzdem bin ich relativ schnell zu einem Theatermenschen geworden, denn es war schon alles sehr neu und interessant, was zu der Zeit dort passierte. Das Theater der 1970er Jahre war in Wien sehr avantgardistisch. Damals hat sich sehr viel bewegt, und man dachte, dass aus dem Theater, der bildenden Kunst und aus der Performance eine neue Kunstform entstehen könnte. Das hat sich dann aber, wie wir wissen, nicht ganz so entwickelt.

Ich habe früh für diverse Theater als Assistent gearbeitet und hatte bald Gelegenheit, auch selbst Bühnen einzurichten. Mit 23 bin ich ans Schauspiel nach Frankfurt eingeladen worden für wirklich tolle Stücke wie das »Quartett« von Heiner Müller oder »Über die Dörfer« von Peter Handke. Besser konnte man es sich als junger Künstler eigentlich nicht vorstellen. Mir war aber schnell klar, dass ich das nicht auf Dauer machen wollte. Somit habe ich in weiser Voraussicht die Entscheidung getroffen, die Arbeit am Theater ganz abzubrechen. Ich bin mir sicher, dass man mich ansonsten als Künstler nicht so ernst genommen hätte.

Ihr Lehrer prophezeite sozusagen, dass Sie Kunst studieren würden. Gab es denn irgendwann einen Zeitpunkt, an dem Ihnen bewusst wurde, dass Sie mit Kunst Geld verdienen möchten, um damit auch Ihren Lebensunterhalt zu bestreiten?
Während des Studiums und auch der Zeit danach habe ich gar nicht über solche existenziellen Sachen nachgedacht. Es gab Stipendien und Förderungen, um die man sich bemühen konnte und damit bin ich zunächst zurecht gekommen. Das gibt es heute ja auch noch. Zu dieser Zeit waren wir mittellos, aber ich habe mich nie so gefühlt. Im Gegenteil! Ich habe mich sehr reich gefühlt. Als ich die erste öffentliche Arbeit gemacht habe, das war zusammen mit Alfons Egger im »Dramatischen Zentrum« in Wien, hat man uns gefragt, wie wir das nur alles umsetzen konnten, ob wir Söhne von Millionären seien. Wir jedoch hatten einfach unsere Arbeiten gemacht und gar nicht darüber nachgedacht. Wir suchten uns die richtigen Stellen und Adressen, die uns unterstützten und konnten so schlussendlich realisieren was wir wollten. Aber im übrigen war damals das Nicht-Machen eher die Parole. Die Kunst-Szene in Wien zu dieser Zeit war sehr übersichtlich, ein paar Intellektuelle und Künstler-Bohemiens. Die höchste Kunst war es, gescheit zu sein, aber sich nicht zu verraten, indem man irgendwie etwas zum Verkaufen hätte. Also das Nicht-Machen war die ganz hohe Kunst.

Sie haben in Hamburg und Frankfurt am Main unterrichtet. Nun sind Sie Professor an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Wie hat sich diese heute im Vergleich zu Ihrer Zeit verändert?
Das hat sich alles extrem verändert! Das kann man überhaupt nicht mehr vergleichen, wie national und regional es früher war und wie international es jetzt ist. Als ich angefangen habe zu unterrichten, war unsere Umgangssprache in der Klasse meistens Deutsch, heute ist es Englisch. Auch die Ausbildung an sich hat sich sehr verändert. An der Wiener Akademie gab es zwar schon seit ihrer Gründung eine umfängliche Theorie-Ausbildung – man hat also zwar schon immer Philosophie, Mathematik, Geometrie und ähnliches unterrichtet, aber Theorie und Geschichte beispielsweise wurden in den letzten Jahren noch sehr viel umfangreicher eingerichtet. Das Angebot ist jetzt fantastisch. Nun müssen wir dafür sorgen, dass die künstlerisch praktische Ausbildung das Hauptthema bleibt.

Hat sich auch im Miteinander unter Professoren und Studierenden etwas geändert?
Ja, die hierarchische Distanz zwischen Studierenden und Lehrenden ist bei Weitem nicht mehr so groß, wie ich das früher erlebt habe. Zu meiner Zeit war man froh, die Akademie verlassen zu können, um dort hinzugehen, wo man wirkliche Resonanz auf das bekam, was man als junger zeitgenössischer Künstler machte. Heute verstehen sich die Lehrenden und die Studierenden so gut und die Studenten und Studentinnen fühlen sich derart wohl, dass sie die Akademie fast gar nicht mehr verlassen möchten. Die Revolte ist nicht mehr das zentrale Motiv, wie man das vielleicht annehmen möchte.

Man mag den Eindruck gewinnen, dass die Selbstvermarktung als Künstler beziehungsweise das Denken in Vermarkungsstrategien in der Ausbildung eine immer größere Rolle spielt. Täuscht der Eindruck? 
Ja das täuscht. Ich erlebe meine Studenten und Studentinnen eher daran interessiert die Entwicklung der Qualität des künstlerischen Denkens und Machens zu kultivieren. Dabei nimmt das Sprechen über das eigene Tun, also auch die Vermittlung, einen großen Raum ein. Vor dreißig Jahren war das ja nicht so der Fall. Architekten und Architektinnen beispielsweise werden in ihrer Ausbildung trainiert, wie sie mit ihren Auftraggebern sprechen, diese verstehen und denen auch ihr Vorhaben besser präsentieren können. Ich bin immer ganz begeistert, wenn Studenten und Studentinnen aus der Architektur zu uns in die Bildhauerei wechseln und ihr Werk vortragen. Das ist Vorbildlich. Ich sage den Studierenden aber immer wieder, dass das Sprechen über Kunst zwar wichtig ist, dass es aber auch klug sein kann im richtigen Moment nichts zu sagen. Die künstlerische Intention sollte sich in erster Linie durch das Werk mitteilen. Strategien der Vermarktung sind keine komplizierte Sache, dafür braucht es kein Seminar.

Die Studierenden sollen aus Ihrer Sicht also nicht zu früh vom Kunstmarkt vereinnahmt werden?
Das, was der Kunstmarkt als Verführung oder Versprechen anbietet ist kein zentrales Thema für unsere Ausbildung. Es geht vielmehr darum, herauszufinden, was man machen möchte, um eine Existenz zu begründen und das basiert auf einer soliden künstlerischen Arbeit, sonst wird man es schwer haben. Ich finde es sehr wichtig, dass man in diesen Jahren an der Akademie die Freiheit hat, herauszufinden, wozu man in der Lage ist, sich mit anderen zu vergleichen, um zu sehen, ob das Bestand haben könnte, was man da macht. Das ist auch das, was die Studierenden wissen und erfahren wollen: - die Entwicklung einer Arbeit, an die sie glauben können und die in der Diskussion von Relevanz ist.

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Heimo Zobernig, untitled, 2014 (detail), Cardboard, wood glue, synthetic resin varnish, plywood, 215 x 88 x 77 cm, Courtesy of the artist, © VG Bild-Kunst, Bonn 2014

Haben Sie denn irgendwann einmal an Ihrer Entscheidung gezweifelt und die Kunst infrage gestellt?
Nein, nie. Das hat immer gepasst. Das kann ich bis heute ganz klar so sagen. Das Machen ist ja etwas ganz Großartiges. Das war zwar, als ich jung war, noch nicht so wichtig, das Machen meine ich, sondern damals habe ich mehr an ein Sein gedacht. Das war schon früh mein Lebensplan, mir meine Pflichten selbst zu stellen und jetzt ist es so: Ich mache und habe die Freiheit, darauf zu warten, dass ich etwas machen möchte, nicht machen muss.

Sie arbeiten oft mit einfachen, kostengünstigen Materialien – sei es Karton oder Sperrholz. Liegt dem eine gewisse Pragmatik zugrunde, oder dient die Auswahl des Materials nur als Mittel zum Zweck?
Das ist gar nicht so einfach zu beantworten. Wenn ursprünglich nicht auch eine Provokation darin gelegen hätte, eben gerade nicht die traditionellen Materialien der Bildhauerei zu verwenden, wär ich das wahrscheinlich nicht so angegangen. Eine Zeit lang dachte ich mir, dass da vielleicht auch ein ökologischer Gedanke mitschwingt, den ich ja auch nach wie vor als Ethik des Handwerks sehr spannend finde. Man kann aber Kunst nicht nach diesen Aspekten ausrichten, so wie man auch nicht alles beantworten kann, woraus sich Fragen ergeben. Mittel zum Zweck ist das Material ja immer. Es ist das Medium dessen, was man umsetzen möchte. Ich habe früher sehr vieles modellhaft gebaut. Modellbaumaterialien haben ja einen eher flüchtigen Charakter. Dadurch kommt man aber schneller oder sofort zu einem Ergebnis. Vielleicht hat es auch mit Ungeduld zu tun, also schnell zu dem zu gelangen, was man haben möchte. Etwas sehr solide zu bauen und mit teurem Finish zu versehen, dauert natürlich – und muss auch finanziert sein.

Sind Sie denn ungeduldig?
Naja, also ewig darauf zu warten, bis was fertig ist, das ist schon ... (lacht) ... mal so mal so. Geduld - die habe ich auch. Ich habe Skulpturen aus Klopapier-Rollen gemacht. Das dauert manchmal zwei, drei Jahre, bis die zum Ende kommen. Ich fange mit einer Rolle an und weiß überhaupt nicht, wohin das führen wird. Die eine Rolle lasse ich nach links abbiegen, die nächste nach rechts, das geht so von einem Stück zum nächsten. Hier gibt das Material den Prozess vor, denn der Leim, mit dem ich die Rollen verbinde, trocknet langsam. Das könnte man eventuell auch mit einer Klebepistole schneller machen. Das mag ich aber in diesem Fall nicht, das passt nicht zum Karton.

Seit Sie nach Wien gekommen sind, haben sich sowohl die künstlerische Ausbildung als auch der Kunststandort Wien stark verändert.
Ja, das stimmt. Wien wird mehr und mehr zu einer lebendigen, zeitgenössischen Kunststadt. Als ich damals hierher gekommen bin, wusste ich ja überhaupt noch nicht, wie das Ganze funktioniert, welche Rolle die Galerien beispielsweise spielen. Damals gab es auch nur sehr wenige, und die meisten Türen waren verschlossen. Das hat sich extrem verändert. Es wurden professionelle Galerien gegründet – mehr und mehr, wie beispielsweise die von Peter Pakesch, mit der ich lange zusammengearbeitet habe. Gleichzeitig sind auch Produzentengalerien von Künstlern entstanden, die sich ihre eigenen Orte geschaffen haben – Räume, die man heute Off-Spaces nennt. Oder es haben sich ganz tolle Institutionen etabliert, wie zum Beispiel das »Depot«, die zum Teil wie Akademien agierten, also Vorträge organisierten und Projekte initiiert haben. Alles in allem sind, wie schon gesagt, die Ausbildung als auch der Standort Wien sehr viel internationaler geworden. 

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Sie sind einer der bedeutendsten österreichischen Künstler. Wäre es für die Karriere nicht einfacher gewesen, ins Ausland zu gehen und direkt in den Städten zu arbeiten, in denen der Kunstmarkt boomt?
Das ist gar nicht so einfach, da diese regionalen Szenen oft sehr hermetisch sind. Es ist nicht leicht, als Nicht-Brite in London Karriere zu machen oder sich als Nicht-Amerikaner in New York durchzusetzen. Das habe ich schon sehr früh erkannt. Viele meiner Kollegen und Kolleginnen, die diesem Ruf gefolgt waren, sind dort gescheitert. Wäre ich beispielsweise in New York, würden meine Ressourcen vielleicht gar nicht ausreichen, um als erfolgreicher Künstler dazustehen. Allerdings war es für mich immer wichtig, viel unterwegs zu sein. Das war ich auch und habe es immer genützt, einige Zeit da oder dort zu sein. Es war bei mir auch nicht so, dass ich in Österreich eine große Wahrnehmung genossen hätte – ich war zunächst im Ausland wesentlich erfolgreicher. Als mein Sohn geboren wurde, war für mich völlig klar, dass ich dort sein möchte, wo meine Familie ist. Ich habe zwar in Frankfurt und in Hamburg unterrichtet, bin aber immer gependelt.

Sie haben hier in Wien mehrere Ateliers. Wie müssen wir uns den Arbeitstag von Heimo Zobernig vorstellen? Sind Sie denn täglich in Ihrem Atelier?
Ich bin im Atelier, wenn ich weiß, was ich machen möchte. Ich gehe nicht ins Atelier und schaue dann, was passiert. Wohin ich muss, das ergibt sich ganz allein, da muss ich gar nicht nachdenken. Ich gehe ins Mal-Atelier, weil ich ein Bild malen möchte. Oder ich verbringe einen Tag im Büro, oder bin in der Schule, oder auf Reisen, oder nirgends.

Ihre Publikationen folgen alle einem Konzept und werden so selbst zum Teil Ihrer Arbeit.
Meine Bücher sind keine bloßen Dokumentationen. Ich fand viele Kataloge in den 1980er Jahren ziemlich fad, wollte darum Publikationen gestalten die mehr Charakter haben. Dabei habe ich viel durchs Fehlermachen gelernt. Auch wollte ich die Sache vereinfachen, mich von zu vielen Entscheidungen befreien, darum habe ich mich entschlossen, immer die gleiche Schrift zu verwenden. Gerade entsteht eine Publikation über meine Publikationen. Das war eine fürchterliche Arbeit: alle Bücher noch einmal herausholen, alles fotografieren und dann all die kleinen Texte, die das begleiten.

Sie arbeiten sehr viel. Man hat auf jeden Fall diesen Eindruck. Woher nehmen Sie Ihre Inspiration?
Das überrascht mich immer selber auch, dass dieser Eindruck entsteht. Meine Inspiration, aber auch die Erholung kommt sowohl aus der Überforderung als auch dem Zustand der Erschöpfung, also beiden Extremen. Wenn ich unterwegs bin, gehe ich immer in Ausstellungen oder Museen. Das weckt mich regelrecht auf und inspiriert mich. Das können ebenso Filme, Konzerte, Vorträge und natürlich besonders auch Bücher sein. Ich suche aber auch gerne Orte auf, an denen gar nichts los ist. 

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Interview: Michael Wuerges
Photos: Maximilian Pramatarov

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